Tagesspiegel, 12.3.1997



Goldesel oder Zuschußgeschäft?

Noch verdienen erst wenige ihr Geld mit dem Internet

VON PATRICK CONLEY

Obwohl nur fünf Prozent der Deutschen das Internet nutzen, ist die Hoffnung, die die Wirtschaft in die neue Technik setzt, fast ebenso groß, wie die Gruppe von Konsumenten, die das Internet bislang standhaft ignoriert. Dabei scheint die Symbiose zwischen PC und Telefon die logische Fortentwicklung des Siegeszuges zu sein, den der Computer einst angetreten hat. Vom Studenten, der sich mit der Gestaltung von WWW-Seiten ein Zubrot verdient, bis zu den großen Konzernen will jeder dabei sein.

"Die Verlegung und Unterhaltung der Netze ist hochprofitabel", betont Dietrich von Hase, Geschäftsführer der Internet Akademie, die von Berlin aus kleinere und mittlere Unternehmen kostenlos berät. Am Internet verdienen vor allem die Telekom-Companys. Erst im Januar ging die DBKom in Mannesmann Arcor auf, ein Unternehmen, das damit bundesweit über 40 000 Kilometer Datenleitung verfügt. Und nur fünf Wochen ist es her, daß RWE und Veba beschlossen haben, sich unter dem Namen o.tel.o gemeinsam im Telefon- und Datengeschäft zu engagieren.

Die zweite Gruppe, die am Internet verdient, sind die Zugangsprovider. Die meisten beschränken sich nicht auf das Vermittlungsgeschäft. So wirbt die 1994 gegründete Interactive Networx (snafu) damit, die Einrichtung und Aufstellung von WWW-Servern zu übernehmen, Firewall-Konzepte zu entwickeln und sich ebenso um die Wartung von lokalen Netzwerken zu kümmern, wie um die Schulung von Mitarbeitern.

Während also das Einkommen der herkömmlichen Zugangsprovider langfristig gesichert ist, sagen böse Zungen Online-Diensten den Untergang voraus. Konnten Anbieter wie AOL und CompuServe früher von ihrer marktbeherrschenden Stellung profitieren, droht nun die Entwicklung über sie hinweg zu gehen. Germany.net verzichtet daher von vornherein darauf, für den Aufruf von deutschen Internetseiten eine Gebühr zu verlangen. Max Lennertz, Leiter der Online-Dienste bei o.tel.o, zu der Germany.net gehört, setzt voll auf Werbung. Im Online-Direct-Marketing soll der "gläserne" Kunde individuell angesprochen werden. Daneben will Germany.net in Zukunft, ähnlich wie bisher schon die Kreditkartenorganisationen, an jeder Transaktion, die einer seiner User tätigt, mitverdienen. Ob aber die Kunden bereit sind, für einen kostenlosen Internetzugang ihre persönlichen Daten vermarkten zu lassen und in den kommenden Jahren damit beginnen, alles von der Unterwäsche bis zum Blumenstrauß per Modem zu ordern, darf vor allem in Deutschland bezweifelt werden. Ein reines Zuschußgeschäft bleibt das Internet für all jene, die ihre Inhalte kostenlos ins Netz stellen. Die sogenannten Contentprovider können im Gerangel um Marktanteile nicht an der Gebührenschraube drehen. Für eine Tageszeitung, die am Kiosk eine Mark kostet, ist niemand bereit neben der Telefon- auch noch eine Lesegebühr zu entrichten.

"Im Moment verdienen wir damit natürlich noch kein Geld", sagt Ernst Munzinger. Trotzdem ist er mit seinem Archiv im Internet vertreten, auch wenn er seine professionellen Datenbanken noch nicht selbst vermarktet. Munzinger beschäftigt nicht die Frage, ob sich die Verschiebung vom Papier zu den elektronischen Medien aufhalten läßt, sondern wie man in Zukunft die Preise für Datenbankrecherchen gestalten soll. Setzt man auf ein Massenpublikum oder ausschließlich auf professionelle Nutzer? Sind einmal die Preise gesenkt, läßt sich dieser Vorgang nur schwer wieder rückgängig machen.

Auch Dietrich von Hase hält die weitere Entwicklung des Internets für völlig offen. Nur eines ist für den Leiter der Internet Akademie sicher: "Die heutigen Netzuser sind nicht die von in fünf bis sechs Jahren".

["Bis dahin", lautete der ursprüngliche Schlußsatz, "gilt für die meisten privaten Internetuser weiter die Regel: Was nicht gratis ist, hat im Netz nichts verloren!" - Die Kürzung und das "noch" im Untertitel stammen von dem zuständigen Redakteur, der früher die Wirtschaftsseite betreute.]


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